Der folgende Beitrag ist die deutsche Übersetzung
eines sehr lesenswerten Interviews
mit Takeda Tokimune, dem Sohn von Takeda Sokaku,
dem letzten Samurai und
Lehrer des Aikido-Begründers Morihei Ueshiba.

Takeda Sokaku (1859 - 1943) und Morihei Ueshiba (1883 - 1969), zwei der größten Namen der Kampfkünste.

Das Interview beschreibt u.a. das Verhältnis beider zueinander und gibt einen zeitgeschichtlichen Einblick in das alte Japan und die Anfänge des Aikido.    

Dieses Interview wurde entnommen von -


Daito-ryu Aikijujutsu

Herausgegeben von Stanley A. Pranin

 

Geboren in Yubetsu, Hokkaido; 1916 - 1993, Daito-ryu Aikijujutsu Soke Der dritte Sohn und Nachfolger von Sokaku Takeda, Tokimune Takeda begann 1925 unter seinem Vater in den Kampfkünsten zu trainieren. 1946 schloß er den Polizeioffiziers-Trainingskurs von Hokkaido ab und 1947 einen Polizeikurs in Techniken der Handhabung des Stockes. Als Mitglied der Polizeikräfte erhielt Tokimune mehrere Auszeichnungen für herausragenden Dienst in der Festnahme Krimineller. Er trat im Dezember 1951 der Yamada Fishery Co., Ltd. bei und arbeitete dort bis zu seinem Ruhestand im Jahre 1976. Tokimune gründete 1953 das Daitokan Dojo in Abashiri, Hokkaido und gliederte die Techniken des Daito-ryu, band in sie Elemente des Ono-ha Itto-ryu ein, um sein eigenes Daito-ryu Aikibudo zu erschaffen. Er erhielt die Auszeichnung der Kulturell-Und-Sozialen-Erziehung von der Stadt Abashiri am 3. November 1987.

 

 

Der folgende Text ist eine Sammlung mehrerer Interviews, die mit Tokimune Takeda zwischen 1985 und 1987 in Abashiri, Hokkaido und Tokio geführt wurden.

 

 

Nun da die Rolle des Daito-ryu in der Entwicklung des Aikido besser verstanden wird, denke ich, ist es wahrscheinlicher, daß mehr Menschen des Aikido an der Geschichte der Kunst interessiert sein werden. Ich möchte damit beginnen Ihnen einige Fragen über Ihren Vater, Sokaku Takeda, zu stellen. Kann man sagen, daß er die Kunst des Daito-ryu erschuf? 

 

Nein, die Ursprünge der Kunst liegen in einer Kunst namens tegoi. Es gibt eine Geschichte über diese Kunst in dem Kojiki. Als die Göttin Amaterasu Omikami zu ihrem befreundeten Gott Takeminakata no Mikoto ging, um ihn anzuweisen ihr Land an sie zurückzugeben, kämpften er und der Gott Takemikazuchi no Mikoto einen Wettkampf. Dieser Wettkampf wurde ausgeführt, indem tegoi verwandt wurde, das als der Ursprung des heutigen Sumo angesehen werden kann. In den alten Zeiten wurden Sumo-Kämpfe auf Festspielen geheiligter Stätten abgehalten. Kaiser Seiwa erschuf die beiden Kaiserlichen Korps-Wächter Ukon und Sakon, und machte Sumo zur Kampfkunst. Später, während der Kamakura-Periode, wurde Sumo die bekannteste Kampfkunst. Demnach kann gesagt werden, daß Kaiser Seiwa der Gründer von Daito-ryu ist. Als der jüngste Enkel von Kaiser Seiwa, Shinra Saburo Yoshimitsu, nach Oshu ging, dem nordöstlichen Bezirk von Japan, studierte er die menschliche Anatomie durch Sektion, und dies war der Ursprung von Daito-ryu. Er blieb an einem Ort namens Daito, und nannte sich Saburo von Daito. Das ist die Quelle des Namens. Daito-ryu wurde dann weitergegeben durch die Generationen der Takeda-Familie hindurch, da wir auch die Nachfahren des Kaiser Seiwa waren.

 

Die Aufzeichnung dieser Geschichte wird in dem Ise Schrein aufbewahrt. Obwohl diese Dokumente nur Shinto-Priestern gezeigt werden, wurde mir erlaubt sie zu sehen, da die Takeda-Familie von einer Familie von Priestern abstammt. Als ich dort hinging, um nachzulesen, was mein Vater mir erzählt hatte, fand ich diese Dokumente.

 

 

Der Name Soemon Takeda erscheint in der Ahnenreihe der Takeda-Familie, die Sie uns gezeigt haben. Ich glaube, er war Sokaku`s Großvater?

 

Das ist richtig. Er war der Vater von Sokaku`s Vater Sokichi. Zur Zeit des Aizu-Krieges kamen Soldaten vom ganzen Land, um den Klan zu attackieren, da er als ein Feind des Kaisers betrachtet wurde. So denke ich, wenn nicht jemand einen Tempel darum gebeten hätte diese Dokumente aufzubewahren, würden sie verloren sein.

 

 

Würden Sie uns zu dem Aizu-Klan etwas Hintergrund geben?

 

Der Aizu-Klan war ursprünglich verantwortlich Kyoto zu bewachen. Eine Gruppe Samurai, genannt die Shinsengumi, waren aktiv bis kurz vor der Meiji Restauration. Das Wappen der Shinsengumi war dasselbe Wappen wie das des Aizu-Klan, und sie stammten in einer direkten Linie von den Aizu-Klan Mitgliedern ab. Es war eine gewalttätige Gruppe, die kaiserliche Unterstützer, die den Satsuma- und Tosa-Klans angehörten, ermordeten. Sie töteten sogar die obersten Anführer. Als die Klans der Satsuma und Tosa an die Macht kamen, attackierten sie wegen der Verbindung der Shinsengumi zum Aizu-Klan den Herrscher des Aizu-Klan in dem Bürgerkrieg von Boshin und besiegten ihn. Als der Klan geschlagen war, war er nicht mehr in der Lage sich zu erholen. Während dieses Krieges verwandten die Aizu noch erhitzte Kanonenkugeln, während die kaiserliche Armee importierte Kanonen benutzte. Die Aizu waren den kaiserlichen Kräften nicht gewachsen. Der Aizu-Klan, der dafür vorgesehen war den Kaiser zu bewachen, war der Feind des Kaisers geworden. Einmal wurde der Herrscher des Aizu-Klan verhaftet und stand davor getötet zu werden, was er aber tatsächlich nicht wurde. Die Burg der Aizu wurde in Brand gesetzt und vollständig zerstört. Es gibt nicht viele, die Aufzeichnungen über die Ahnenreihe des Aizu-Klan haben.

 

 

Ich bin sicher Ihr Vater muß Ihnen viele Geschichten über seine Erlebnisse als Junge erzählt haben.

 

Ja, hat er. Einmal, während des Aizu-Krieges, als mein Vater neun Jahre alt war, waren alle Erwachsenen des Haushalts in die Berge geflohen. Sokaku und seine Schwester wurden im Haus zurückgelassen, weil die Erwachsenen glaubten, daß die Kinder dort sicher sein würden. Als die Soldaten der kaiserlichen Armee zum Haus kamen, griffen sie eine Ente, die Sokaku sorgsam gehütet hatte und töteten sie. Als Sokaku dies sah, schrie er „Kaiserliche Truppen sind Diebe!“ Als der Captain Sokaku hörte, kam er zu ihm und erklärte, daß die Mitglieder der kaiserlichen Armee keine Diebe seien, weil sie alle Soldaten des Kaisers seien. Aber Sokaku bestand weiter darauf, daß sie Diebe seien und so mußte der Captain ihn beruhigen, indem er ihm etwas Geld gab. Einige der Einheimischen, die Zeuge dieser Szene waren, maskierten später ihre Gesichter und kamen zu dem Haus, um Sokaku Angst zu machen und ihm das Geld zu stehlen, das er bekommen hatte. In den alten Tagen verwandten sie papierbespannte Lampenständer, und es war ziemlich dunkel in der Nacht. Als die Dunkelheit umschlug, brachen sie, ihre Masken tragend, in Sokakus Haus. Aber Sokaku wurde wütend und warf eine Reisschale, aus der er aß, direkt auf eine Maske. Die Maske zerbrach. Er hatte wirklich einen heldenhaften Charakter, bereits im Alter von neun.

 

Ich hörte auch, Sokaku pflegte etwa sieben Meilen inmitten der Nacht zu Fuß zu gehen, um zu sehen, wie die Kanonen feuerten. Die alten Kanonenkugeln waren ziemlich verschieden von den modernen. Sie explodierten nicht, waren aber erhitzt, rote Flammenbälle, die im Dunkeln leicht gesehen werden konnten. Jede Nacht machte Sokaku einige Reisbällchen und brach auf, um die Kämpfe zu beobachten, denn er war interessiert zu sehen, wie die Kanonen auf die Burg schossen. Weil es ein Schlachtfeld war, trugen viele Speere und andere Waffen. Sokaku sah Menschen sich damit gegenseitig töten, als er sehr jung war. Er liebte Schlachtfelder. Weil er ein Kind war, brauchte er nicht besorgt zu sein, getötet zu werden, und er pflegte herumzulaufen, wo immer es ihm gefiel. Aber es gab überall Wachen und oft fingen sie ihn, wenn er ein Geräusch machte. Da er nur ein kleiner Junge war, wurde ihm nur gedroht und nachhause geschickt. Aber er kam immer zurück!

 

Er erzählte mir viele andere Geschichten über sich. Er sprach davon, wie er herumzog, um seine Fähigkeiten zu testen und wie er unter Top-Meistern lernte. Er erzählte mir sogar die Gewohnheiten dieser Lehrer, ebenso die Charakteristika ihrer Künste. Ich denke, diese Geschichten waren sehr wertvoll für ihn.

 

 

Würden Sie uns etwas über Sokaku`s Bildung sagen?

 

Es war kein akademischer Typ. Tatsächlich konnte Sokaku Takeda nicht schreiben! Wenn er etwas aufzuschreiben hatte, mußte es jemand für ihn tun. Sein Vater Sokichi glaubte, daß für die Zukunft Kinder schreiben können sollten, und so öffnete er seinen Tempel während der Edo-Periode für die Öffentlichkeit und gründete eine private Tempelvolksschule. Er lehrte auch Sokaku. Aber sein Sohn war ein sonderbares Kind, das immer wieder Aufregung verursachte, indem es plötzlich verschwand oder anderen Menschen Schwierigkeiten machte. Letzten Endes verwies Sokaku`s Vater den eigenen Sohn von der Schule. Sokaku widersetze sich seinem Vater und erklärte, daß er selbst nicht schreiben würde, sondern andere für ihn schreiben lassen würde. Als sein Vater, Sokichi, wütend antwortete „Wer würde für dich schreiben wollen!“ bestand Sokaku darauf, daß er Menschen haben würde, die für ihn schreiben. Und das ist genau das, was er tat. Darüberhinaus hatte er Richter und Staatsanwälte, die es taten.

 

Wissen Sie, es ist ziemlich ungewöhnlich für die Polizei ihre Namen auf etwas zu unterschreiben. Ich war Kriminalpolizist, und ich kenne die Situation gut. Es war ziemlich außergewöhnlich, daß Sokaku in der Lage war, die Polizei und die Nachfahren der Samurai ihre Namen in seinen Einschreibungs-Büchern unterschreiben und ihre Siegel stempeln zu lassen. Sogar zu meiner Zeit würde die Polizei niemals Namenskarten herausgeben, weil sie in großen Schwierigkeiten wären, falls sie jemand mißbräuchte. Aber sogar in der Meiji-Periode forderte Sokaku von seinen Studenten ihre Namen zu unterschreiben.

 

 

Hatte Lehrer Sokaku Takeda Geschwister?

 

Er hatte einen älteren Bruder und einen jüngeren Bruder. Auch hatte er eine Schwester.

 

 

Können Sie uns etwas über Sokaku`s Kampfkunst-Hintergrund sagen?

 

Sokaku studierte das traditionelle Ono-ha Itto-ryu Schwert des Aizu-Klan von einem Lehrer namens Toma Shibuya. Die meisten Aufzeichnungen und Dokumente des Aizu-Klan wurden zur Zeit des Aizu-Krieges verbrannt. Nur die wenigen Dokumente, die in einem Tempel aufbewahrt wurden, überlebten.

 

Kenjutsu war beliebt und Jujutsu in diesen Tagen nur eine unterstützende Kunst. In anderen Worten, da die Samurai immer ihre Schwerter trugen, brauchten sie niemals darüber nachzudenken jemanden mit ihren Händen zu werfen. Deshalb waren zur Zeit der Meiji-Restauration Schwertkünste beliebter als Jujutsu. Jujutsu fing gerade erst an geübt zu werden. Oshikiuchi, die Palastkunst, war natürlich eine Ausnahme.

 

 

Was ist die Bedeutung von Ono-ha Itto-ryu bzgl. der späteren Entwicklung des Daito-ryu?

 

Der Schwertstil integriert in Daito-ryu ist Ono-ha Itto-ryu. Diese Kunst ist die Quelle von Sokaku`s Schwert. Sokaku lernte einfach alles. Es gab nur sehr wenig, was er nicht wußte. Schwertkämpfer in den alten Tagen waren nicht bloß Experten in der Schwertkampfkunst. Schulung während dem späteren Teil der Tokugawa- [1603-1868] und Meiji-Ära [1868-1912] erforderte „zehntausend Männer". In anderen Worten, du mußtest bei deinen Männern zehntausend Mal ansetzen und dann drei Jahre damit verbringen zu den verschiedenen Dojos zu reisen, um zu üben. Du setztest bei deinen Männern an und nahmst Teil an Schwertkämpfen. Jede Schule hatte seine eigenen individuellen Arten, aber ungeachtet des Stils verwandte jeder die Männer.

 

Das heutige Kendo stammt größtenteils von Ono-ha Itto-ryu, aufgrund der Beliebtheit, die es mit dem Hokushin Itto-ryu teilte. Sasaburo Takano des ehemaligen, und Takaharu Naito und Shusaku Chiba des späteren, sind wohlbekannt. Bis etwa 1910 gab es keine besondere Klassifikation von Formen, sodaß die Fakultät der Übungsschule der fortgeschrittenen Lehrer (Tokyo Koto Shihan Gakko) und das Butokukai Kata (Formen) erschufen, um den Unterricht zu erleichtern. Die Kendo Kata, wie sie heute praktiziert wird, wurde zu dieser Zeit eingeführt. In dem Daitokan üben wir nicht mehr, indem wir Männer verwenden, weil wir nur Kata üben.

 

Wenn wir Schwerter verwenden, sprechen wir von aufnehmen. Man nimmt den Angriff auf, sobald der Gegner sein Schwert zieht. Du mußt diese Art der Geschwindigkeit haben. Das Aiki-Schwert funktioniert nicht bis deine Arme und Beine effektiv zusammenarbeiten. Da Sokaku Kenjutsu praktizierte, war er in der Lage seine Handgelenke leicht zu drehen. Um deinen Gegner zu schneiden, mußt du die Klinge deines Schwertes in einer besonderen Position ansetzen; du mußt dein Schwert auf diese Weise drehen (gestikuliert). Du nimmst das Schwert deines Gegners mit der Rückseite deines Schwertes auf und drehst dann dein Schwert, um ihn zu schneiden. Dies ist nicht wie du deinen Gegner mit einem bokken triffst. Da ein echtes Schwert eine scharfe Klinge hat, mußt du die Klinge deines Gegners mit der Rückseite deines Schwertes aufnehmen. Du solltest es nicht mit der Klinge aufnehmen, denn wenn du dies tust und ein richtiges Schwert verwendest, dann wird die Klinge gekerbt. Aber wenn du das Schwert deines Gegners mit der Rückseite deines Schwertes aufnimmst und dann hingehst, um ihn mit deiner Klinge zu schneiden, dann wird die Schneide niemals eingekerbt. Somit mußt du in der Lage sein, deine Handgelenke leicht zu drehen, um diese Schwerttechniken auszuführen, und dieses Drehen der Handgelenke ist das Wesen der Daito-ryu Techniken.

 

 

Wäre es dann korrekt zu sagen, daß Daito-ryu auf Schwert-Bewegungen basiert?

 

Ja. Sokaku's Techniken basieren auf dem Schwert. Um Daito-ryu zu erlernen, ist es absolut notwendig das Schwert zu studieren. Die erste kurze Schwert-Technik im Ono-ha Itto-ryu ist dieselbe erste Technik im Daito-ryu, wo du deinen Gegner festsetzt, ihn dann stößt und schneidest. Diese Technik wurde nur während des Sengoku Jidai [Zeitalter der Streitenden Reiche, 1467-1568] verwendet, aber Sokaku lehrte sie als eine wichtige Technik.

Sokaku trug immer ein kurzes Messer bei sich, eingehüllt in ein Tuch. Er zeigte es niemals jemandem, aber ich weiß, daß ihn einmal jemand sah, wie er es fallen ließ. Die Technik, um dieses Messer zu verwenden, war eine geheime Technik von Shingen Takeda. Wenn ein Feind kommt, um dich mit dem Schwert zu attackieren, verwendest du das Messer in dieser Weise [demonstriert es]. Ich erreiche nun Ihre lebenswichtigen Organe. Das ist ippondori im Daito-ryu.

 

 

Soweit ich weiß, studierte Sokaku Kampfkünste auch von Lehrern außerhalb des Aizu-Klan?

 

Ja. Sokaku war ein Student von Kenkichi Sakakibara und studierte Jikishinkage-ryu. Sakakibara's Schwert war der sogenannte harte Stil. Seine Techniken wurden auch übermittelt als ein Teil des Daito-ryu Lehrplans. Als Sokaku ein im Haus lebender Student war, gab es viele Studenten, die im Sakakibara Dojo trainierten. Alle erlitten Gehirnerschütterungen als Folge davon mit dem Schwert des Lehrers auf den Kopf geschlagen zu werden. Wenn er sie stieß, fielen sie hin.

 

Sie hatten wohl sehr wenig zu essen, sodaß sie eine dünne Reissuppe machten und durch ein Bambus-Röhrchen aufsaugten. Das war alles, was sie zum Frühstück hatten. Sie waren am Verhungern. Das waren die Umstände, als Sokaku dort lebte. Ich glaube, er studierte dort für etwa zweieinhalb Jahre. Dort war auch ein Mann namens Jirokichi Yamada im Sakakibara Dojo, der später das Schwert an der Hitotsubashi-Universität lehrte. Sokaku führte es einmal an der Hitotsubashi-Universität vor aufgrund seiner Verbindung zu Herrn Yamada.

 

 

Ich glaube Sakakibara war maßgeblich daran beteiligt Sokaku Shunzo Momonoi von der Kyoshin Meichi-ryu Schwert-Schule vorzustellen.

 

Wie Sie wissen, fand 1877 die sogenannte Südwestliche Rebellion statt. Sokaku beabsichtigte Takamori Saigo zu unterstützen, um den es Gerüchte gab, er würde eine Armee aufbauen. Aber Sokaku's Bruder Sokatsu, der ein Shinto-Priester war, starb plötzlich, und er mußte nach Fukushima zum Schrein des Chikanori Hoshina zurückkehren, um seinen Bruder als ein Priester in Ausbildung zu ersetzen.

 

Später jedoch entschied sich Sokaku nach Kyushu zu gehen, um Saigo zu unterstützen, und er besuchte auf dem Weg Sakakibara in Edo [Tokio]. Lehrer Sakakibara schrieb einen Brief und bat Sokaku ihn an Shunzo Momonoi in Osaka zu übergeben. Sakakibara hatte von Sokaku's Plan sich Saigo's Armee für Krieger-Ausbildung (musha shugyo) anzuschließen erfahren und bat Momonoi ihn davon abzuhalten. Da Sokaku nicht lesen konnte, tat er den Brief in seinen Kimono und trug ihn zu Momonoi in Osaka. Dann begann er dort zu üben.

 

 

 

 

Wie sah Sokaku's Training im Momonoi Dojo aus?

 

Sokaku wurde in Momonoi's Dojo wegen seiner Empfehlung von Sakakibara wie ein Gast behandelt. Shunzo Momonoi war aufgrund Lehrer Sakakibara's Empfehlung hin ein Polizeiausbilder geworden. Zuerst war es Sakakibara, der die Polizei lehrte, aber er empfahl Momonoi für diese Arbeit, weil er bemerkte, daß Momonoi besser ausgebildet war als er. Letzten Endes war Sokaku wegen Momonoi's Eingreifen nicht in der Lage Saigo zu unterstützen und sich seiner Armee anzuschließen.

 

 

Würden Sie uns etwas über Sokaku's Jahre des wandernden Kampfkunst-Trainings erzählen, das in den späten 1870er begann?

 

Es gab in diesen Tagen keine Züge, sodaß Sokaku zu Fuß reiste. Er wußte im voraus nie, welche besondere Technik jedes Dojo, das er besuchte, haben möge. Er sagte mir, er würde draußen stehen und jemanden herbeirufen, würde aber niemals den Platz betreten. Sogar als er als alter Mann zu seinem eigenen Haus zurückkehrte, stand er vor dem Eingang und rief, laut schreiend, "Sozaburo!", ohne gar ins Haus zu kommen.

 

In diesen Tagen trainierten die Leute für drei Jahre, nachdem sie an zehntausend Kämpfen teilgenommen hatten. Es hieß, daß nach solch Training ein Schwertkämpfer dann beginnen könne zu verstehen wie ein Bambus-Schwert zu greifen sei. Wenn sie ein wenig mehr geübt hatten, würden sie sagen „Ich habe ein wenig geübt“. In diesen Tagen bedeutete dies, daß eine Person Großmeister war. Das war eines der Codewörter der Kampfkünstler. Man wußte wieviele Jahre Training eine Person hatte durch die Art, wie er ein Bambus-Schwert griff, und andere würden sagen „Ah! Dieser hat seine Männer zehntausendmal verschlissen und drei Jahre Training im ganzen Land gehabt“. So war es zu Beginn der Meiji-Ära. Es gab damals kein System von Dan-Rängen.

 

 

War Sokaku's Heimatstadt rechtlich gesehen in der Präfektur von Fukushima?

 

Nein, sie ist hier an meiner derzeitigen Anschrift. Er wandte sich von der Hauptfamilie in Aizu ab und wechselte seine Adresse formell nach Hokkaido.

 

 

Herr Lehrer, Sie beschrieben einst einen bekannten Vorfall, der sich 1882 in Fukushima zutrug, wo Sokaku von einer Gruppe Bauarbeiter angegriffen wurde und wie durch ein Wunder dem Tod entkam. Gibt es über dieses Ereignis übrig gebliebene Dokumente?

 

Ich ging nach Fukushima, konnte aber keine Dokumente finden. Als sich der Vorfall ereignete, hatte Sokaku überall an seinem Körper Wunden. Er wurde sogar mit einer Spitzhacke in den Rücken gestochen. Er wurde gerettet, nachdem er das Bewußtsein verloren hatte. Laut Sokaku war es dunkel, und er konnte in der Entfernung ein Feuer sehen. Er sagte, daß er sich wohlfühlte, als er dem Feuer mit seinen Augen folgte. Dann kam er allmählich wieder zu sich und hörte seinen Onkel Shinjuro Kurokochi seinen Namen rufen. Sokaku wurde gerettet, weil sein Onkel am Ort des Geschehens war. [Schaut in das Einschreibungs-Buch] Dieser Onkel war ein ehemaliges Aizu-Clanmitglied. Ich glaube, zusammen mit mehreren anderen Regierungsbeamten war er verantwortlich für die Rettung von Sokaku.

 

 

Wann wurde der Begriff Aikijujutsu zum ersten Mal in Sokaku's Einschreibungs-Büchern verwandt?

 

Ich glaube, Aiki wurde als eine Selbstverteidigungskunst vor einer langen Zeit gelehrt, während der Tokugawa-Periode. Unter den Daito-ryu Jujutsu-Techniken ist eine besondere Art von Aiki-Technik, die wir hanza handachi nennen. Techniken, die studiert wurden zum Gebrauch im Palast werden oshikiuchi genannt. In den alten Tagen, wenn die Menschen in das obanbeya der Burg von Edo hinübergingen, wurden alle ihre Schwerter weggenommen. Jeder - mit Ausnahme der Adligen von besonderem Rang, denen erlaubt wurde ihre Kurz-Schwerter zu behalten - hatte alle seine Waffen auszuhändigen. Sie mußten vor der Familie des Shogun auf ihren Knien gehen. Die hanza handachi Techniken des Daito-ryu wurden während dieser Periode verwandt, als Antwort auf jede Situation, die sich ergeben könnte.

 

 

Dann muß hanza handachi ein wichtiger Teil des Daito-ryu Lehrplans sein.

 

Ja, das stimmt. Das Knie-Gehen (shikko) ist eine Grundfertigkeit im Daito-ryu. Hanza-handachi-Techniken basieren auf dem Knie-Gehen genauso wie sie gegen plötzliche Angriffe verwendet werden, während man sitzt. Techniken, die aus einer sitzenden Position beginnen und stehend enden, existieren nur im Daito-ryu. Andere klassische Kampfkünste haben Techniken sitzende Gegner zu kontrollieren, aber nur im Daito-ryu lernst du deinen Gegner im Prozeß aus der sitzenden zur stehenden Position heraus in fünf Richtungen zu werfen. Wir verwenden den Begriff goho, was fünf Richtungen bedeutet, und so wird die Technik gohonage genannt. In gohonage wirfst du deinen Feind in fünf Richtungen - nach vorne, nach hinten, nach rechts und links, und zur Mitte - d.h. wo immer du gerade warst. Diese Art der Technik ist einzigartig im Daito-ryu. Es gibt auch fünf-gerichtete Würfe verbunden mit ikkajo, nikajo und sankajo.

 

 

Kam der Aikido-Begriff shihonage vom Daito-ryu?

 

Das ist richtig, und so auch kotegaeshi.

 

 

Und kokyunage?

 

Wir nennen diese Technik aikinage.

 

 

Und koshinage?

 

Wird koshiguruma genannt.

 

 

Was ist mit tenchinage?

 

Das ist eine der aikinage-Techniken.

 

 

Würden Sie uns etwas zu den Daito-ryu Grundtechniken wie ippondori sagen?

 

Ippondoris beruhen wie kogusoku auf Ono-ha Itto-ryu, und ein kodachi (Kurz-Schwert) wird verwendet. Du stößt, wenn du von einem Gegner mit dem Schwert angegriffen wirst, von unten nach oben. Wenn ein Gegner rasch angreift, indem er dich an der Brust greift, hälst du ihn im Daito-ryu unten. Die Technik wird in Situationen angewendet, in denen der Feind dich stößt und du ihn kontrollierst.

 

Was sich von anderen Schulen unterscheidet ist, daß du deinen Gegner unten hälst, indem du dein Knie verwendest. Dann greifst du die Haare deines Gegners, um ihm den Kopf abzuschneiden. Dies ist echte Daito-ryu Technik. Sie werden sich fragen „Welche Bedeutung hat dies heutzutage?" Aber das ist fundamental im Daito-ryu. Wenn du einen Gegner mit deinem Knie unten hälst, sind deine beiden Hände frei. Dann kannst du ihm den Hals durchschneiden. Bis dahin mußt du wachsam sein. Auch Situationen mit mehrfachen Angreifern können mit deinen freien Armen gehandhabt werden, weil ein Angreifer unter deinem Knie festgesetzt ist. Dies ist das Wesen von Daito-ryu. Wenn du einen Gegner mit deinem ganzen Gewicht auf dem Knie konzentriert unten hälst, kann sich der Feind nicht erheben. Jede einzelne Technik ist tödlich. Keine dieser Techniken gibt dem Gegner eine Lücke.

 

Die Daito-ryu Lehrmethoden sind völlig verschieden von denen anderer Schulen. Unsere Techniken verwenden echte Schwerter für den ernsten Kampf. Als Daito-ryu von der Polizei verwandt wurde, stoppte sie allmählich in dieser Art und Weise zu üben, und sie begannen den Gegner nur sanft unten zu halten. Sogar während der Meiji Ära kontrollierten die Leute ihre Feinde nicht länger, um sie zu stechen und ihre Köpfe abzuschneiden. Das Wesen von Daito-ryu ist jedoch wachsam zu bleiben bis du den Hals des Feindes durchgeschnitten hast. Hiebe müssen unmittelbar ausgeführt werden. Wir lehren die Studenten des Daito-ryu strikt diese Dinge. So ist das Üben gewalttätig, und ein klein wenig verschieden von anderen Übungsarten oder von einfach nur sanft Aiki zu üben.

 

 

Könnten Sie uns etwas detaillierter das Konzept von Aiki erläutern?

 

Aiki ist zu ziehen, wenn du gestossen wirst, und zu stossen, wenn du gezogen wirst.

 

Es ist der Geist von Langsamkeit und Geschwindigkeit, (der Geist) von der Harmonisierung deiner Bewegung mit dem Ki des Gegners. Sein Gegenteil, Kiai, geht bis zum Äußersten, wohingegen Aiki niemals Widerstand leistet.

 

Aiki wird zur Selbstverteidigung angewendet, wenn ein Gegner zuerst angreift, und wir verwenden den Begriff, um uns auf Selbstverteidigung für die Menschen im allgemeinen zu beziehen. Diese dürfen nicht durcheinander gebracht werden. So verwendet die Polizei nicht das Wort Aiki. Sie verwenden Jujutsu. Sie kämpfen mit Kiai, einen sen sen Angriff verwendend. Angriff ist Kiai. Aiki, andererseits, ist go no sen. Polizisten haben die Erlaubnis zuerst anzugreifen. Das ist der Grund, warum die Polizei Daito-ryu studierte, obwohl heutzutage der Mix von Judo, Kendo, Aikido, und anderen Künsten, die von der Polizei verwendet werden, üblicherweise auf Taihojutsu oder Festnahme-Techniken beruhen.

 

 

Würden Sie uns etwas über die Seminare erzählen, die Sokaku leitete, nachdem er seine Lehr-Karriere begonnen hatte?

 

Er lehrte in Zeitabschnitten von zehn Tagen auf einmal, d.h. ein Kurs dauerte zehn Tage. Es war nicht möglich die Kunst systematisch zu verbreiten, leider, weil Sokaku seine Zeit damit verbrachte reisend zu lehren und niemals niedergelassene Dojos gründete. Sokaku Takeda war nicht diese Art von Mensch; zu dieser Zeit war er nur daran interessiert zu lehren. Schüler mußten jedes Mal, wenn sie an einem Kurs teilnahmen, mit ihrem Namen in dem Einschreibungs-Buch unterschreiben. Er erlaubte nie, daß Daito-ryu Leuten gelehrt wurde, die nicht seine Schüler waren.

 

 

Es gibt eine berühmte Geschichte über Sokaku's Begegnung, früh in seiner Lehr-Karriere, mit einem Ausländer namens Charles Parry, der während der Meiji-Periode in Japan Englisch lehrte. Ich glaube, der Name dieses Mannes erscheint in einem der Einschreibungs-Bücher.

 

Das stimmt. Zu dieser Zeit lehrte Sokaku die Second Army Division in Sendai. Herr Parry kam um Englisch an der Sendai Second High School zu lehren. Ein Ausländer, der mit Herrn Parry nach Japan kam, studierte auch unter Sokaku Takeda. Mein Vater kannte Worte wie "Schulter". Er konnte auch sagen „festgesetzt“ für "osae". So konnte er ein klein wenig Englisch!

 

 

Wann traf Morihei Ueshiba, der Begründer des Aikido, Sokaku zum ersten Mal?

 

1915, sie trafen sich im Hisada-Gasthof in der Stadt Engaru im nördlichen Hokkaido. Es scheint, daß Herr Ueshiba nach Hokkaido kam, um das Land zu bewirtschaften, als er in seinen Dreißigern war. Er versammelte das zweite und dritte Kind von Familien um sich - nicht die ältesten Söhne - und sie siedelten in Hokkaido. Er war noch immer jung, sodaß ich mir vorstelle, daß es ziemlich schwierig für ihn gewesen sein muß.

 

Herr Ueshiba studierte Daito-ryu unter meinem Vater von 1915 bis 1919, etwa fünf Jahre. Er trainierte extensiv und war engagiert. Er war Sokaku's Lieblingsschüler. Ich war jedoch derjenige, mit dem Sokaku am meisten schimpfte. Nach mir war es Morihei Ueshiba, mit dem er am häufigsten schimpfte. Da ich Sokaku's Sohn war, störte es mich nicht so, wenn er mit mir schimpfte, aber ich vermute, daß es Herrn Ueshiba sehr berührte, da er kein Mitglied der Familie war?

 

[Schaut in die Buchführung] Herr Ueshiba übte wirklich ziemlich viel. Dies war das erste Mal, hier das zweite, und dies das dritte. Hier das vierte, fünfte, sechste und siebte Mal... Hier ist das achte Seminar, an dem Herr Ueshiba als Sokaku's Assistent teilnahm. Alles zusammen hatte er siebzig Tage Übung als Schüler. Hier ist noch ein Eintrag, das neunte Mal.

 

 

Das ist ziemlich verschieden von früheren Erzählungen bzgl. der Verbindung zwischen Morihei Ueshiba und Sokaku Takeda, oder nicht?

 

Ja, Herr Ueshiba begleitete Sokaku auch sehr viel. Mit Sokaku zu reisen, war bedeutender als nur unter ihm während der regulären Übungszeiten zu studieren. Und dazu kommt noch, daß Herr Ueshiba auch als Sokaku's Assistent lehrte.

 

 

 

 

So tritt Lehrer Ueshiba als Lehrer Sokaku`s Assistent beginnend von dem achten Seminar an auf...

Das ist richtig. Er begann ihn von dieser Zeit an zu begleiten. Da Sokaku zu den verschiedenen Plätzen ging, um die Polizei, Richter, und diese Art von Personen, zu unterrichten, dachte Herr Ueshiba vermutlich, daß die Kunst wundervoll sei und daß er nicht weiter bewirtschaften müsse, wenn er sie meisterte. Er war Daito-ryu sehr ergeben und auch ziemlich mitteilsam. Wenn Sokaku eine Gruppe von Richtern und Staatsanwälten in Hakodate lehrte, trat Herr Ueshiba als sein Begleiter auf und assistierte darin sie zu lehren. Er war damals in seinen Dreißigern, und war in diesem jungen Alter in der Lage Richter zu lehren. Normalerweise war es in diesen Tagen ziemlich schwierig zu dieser Position aufzusteigen. Ein Ausbilder wurde bei der Polizei nicht beschäftigt, falls er nicht von einer Samurai-Familie abstammte. Es war ziemlich formell. So war es eine große Sache Richter zu lehren, während man so jung war. Morihei Ueshiba war ein wunderbarer Mensch, auch schon in solch jungem Alter.

 

 

Wurde Lehrer Ueshiba zu dieser Zeit ein zertifizierter Daito-ryu Ausbilder?

 

Eigentlich war es viel später. Er ging nach Honshu [die größte von Japan's vier Hauptinseln] zurück, bevor er es erhielt. Genau hier ist aufgezeichnet, daß er sein Zertifikat in Ayabe erhielt. Wenn ich mich recht erinnere, gingen meine Mutter und ich nach Ayabe, nahe Kyoto, als ich sechs Jahre alt war. Wir blieben in Herrn Ueshiba's Haus, das seit langer Zeit als das Ueshiba Juku bekannt war. Schon als ich klein war, beobachtete ich das Training. Zu dieser Zeit gab es dort vierzig Schüler.

 

Oh, da ist es... Dies ist die Aufzeichnung von unserem Aufenthalt dort. Wir waren dort für etwa fünf oder sechs Monate. Hier heißt es, daß die Schüler des Ueshiba Juku Ausbildung in Daito-ryu Jujutsu unter Lehrer Sokaku Takeda erhielten. Viele der Schüler waren Omoto-Gläubige.

 

Hier ist zum Beispiel Masaharu Taniguchi von Seicho no Ie. Auch Vize-Admiral Seikyo Asano studierte Daito-ryu. Diese Art von Leuten lernten auch die Kunst. Schauen Sie, hier ist der Name "Morihei Ueshiba". Es ist klar beschrieben, daß das Training vom 28. April bis zum 15. September 1922 dauerte, eine ziemlich lange Zeit. Herr Ueshiba lehrte da auch als ein Assistent. Sokaku mochte die Omoto-Religion nicht sehr, so scheint es, daß er sich [sarkastisch] auf das Haus als Morihei Ueshiba's "Villa" bezog.

 

 

So lehrte Sokaku täglich vom 28. April bis zum 15. September?

 

Das ist richtig. Er lehrte zusammen mit Ueshiba. Dies ist Lehrer Morihei Ueshiba's kyoju dairi (Assistenz-Ausbilder) Zertifikat. Es ist in seiner eigenen Handschrift und lautet:

 

1. Sei vorsichtig bei der Akzeptanz von Schülern zur Ausbildung in Daito-ryu Aikijujutsu, um Personen mit gutem Benehmen auszusuchen.

 

2. Wenn Schüler ausgebildet werden, laß sie ihre Adresse, Namen, Alter, Ort ihres Dojos, und die Zeitdauer ihrer Ausbildung in ein Einschreibungs-Buch schreiben und laß sie sie mit ihrem Siegel im Wege der Authentifikation stempeln.

 

3. Wenn Schüler ausgebildet werden, soll eine Erstzahlung von drei Yen an Takeda Dai-Sensei als eine Einschreibungsgebühr erfolgen.

 

15. September 1922

 

Jeder schrieb dieselben Worte, wenn er das Zertifikat als Assistenz-Ausbilder erhielt. Es ist dasselbe wie ein niedergelassenes Dojo zu gründen, wie wir es heute nennen. Herr Ueshiba übte sehr viel, mehr als jeder andere.

 

 

Kam Sokaku nach Ayabe auf Lehrer Ueshiba's Einladung?

 

Es gab eine Anzahl Leute vom Navy-Training in Herrn Ueshiba's Dojo. Alle Mitglieder der Navy hatten Erfahrung im Sumo-Ringen und waren ziemlich stark. Da Ueshiba Schwierigkeiten gehabt hätte, solche Personen zu handhaben, bat er Lehrer Sokaku Takeda zu kommen. Diese Männer waren riesig, während Herr Ueshiba kleiner war als ich. Ich könnte mir vorstellen, daß er nicht in der Lage war sie festzusetzen, weil er keine präzisen Techniken benutzte. Am Ende ist es doch schwierig nur Aiki zu verwenden.

 

 

Könnten Sie uns etwas über die Beziehung zwischen Ihrem Vater und Morihei Ueshiba nach Sokaku's Aufenthalt in Ayabe im Jahre 1922 erzählen?

 

Da Lehrer Ueshiba einer von Sokaku Takeda's besten Schülern war und unter ihm eine lange Zeit studierte, pflegte ich immer erst ihn zu besuchen, wann immer ich nach Tokio ging, wenn ich auch seit seinem Tod nicht mehr dort war. Ich glaube, Sokaku Takeda liebte Morihei Ueshiba am meisten von allen seinen Schülern. Sokaku war furchtbar besorgt, als Ueshiba in Osaka verhaftet wurde. Er bat Yukiyoshi Sagawa und mich nachzusehen, wie er zurechtkam. Zu dieser Zeit stand Ueshiba in Tanabe unter Hausarrest. Als Sokaku hörte, daß Ueshiba in Ordnung war, war er erleichtert. Er war immer besorgt um Morihei. Sokaku vertraute ihm sehr viel und rief seinen Namen, wann immer er ein Problem hatte. Ueshiba war ein gewissenhafter Schüler.

 

 

Sokaku ist bekannt dafür Tausende von Polizeibeamten gelehrt zu haben. Könnten Sie über diesen Aspekt seiner Lehr-Karriere sprechen?

 

Sokaku Takeda lehrte für eine sehr lange Zeit und bildete etwa dreißigtausend Personen aus. Vorwiegend waren seine Schüler von der Polizei, und er war wirklich außergewöhnlich, denn unter ihnen waren viele Judo- und Kendo-Experten. Sokaku war ein strikter Mensch, und seine Art das Schwert zu lehren war strikt. Jeder war machtlos gegen ihn. Sodaß, obwohl Sokaku seinem Partner erlaubte einen Gesichtsschutz zu tragen, wenn er das Schwert vorführte, er selbst nie einen trug.

 

Wenn er von Journalisten besucht wurde, zeigte er ihnen nie irgendwelche Techniken. Er war sehr strikt über die Kunst, weil sie in Polizeitaktiken verwandt wurde. Die Polizei war die stärkste in Judo, Kendo und allem anderen, weil sie mit diesen Arten von Dingen als Teil ihrer Arbeit betroffen war.

 

In einem angenommenen Polizei-Department gibt es gewöhnlich ein Maximum von etwa hundert Personen. Einmal im Monat halten sie eine Art Einsatzbesprechungs-Treffen ab, das viele Polizeibeamte von den kleineren Nebenstellen zusammenbringt. Es war bei solchen Gelegenheiten, daß Sokaku eingeladen wurde, um zu lehren. Er lehrte direkt eine große Anzahl von Leuten.

 

Ich erinnere mich an ein Ereignis in Urawa, in der Saitama Präfektur, als Sokaku Takeda dort lehrte. Eines Tages bat Herr Shuzo Shibuya Sokaku mit ihm in ein Restaurant zu gehen. Mein Vater bat mich an seiner Stelle hinzugehen, weil er erkältet war und im Bett bleiben wollte. So ging ich hin ohne jede Ahnung was geschehen würde. Dort traf ich einen Polizei-Ausbilder, der mich fragte, wann Lehrer Sokaku Takeda sein hanshi-Zertifikat erhalten hätte. Als ich ihm antwortete, er hätte keines, fragte der Mann dann, wann ihm das kyoshi-Prädikat verliehen wurde. Ich sagte, er hätte auch kein kyoshi-Zertifikat. Dann fragte er nach einem renshi-Rang. Wieder verneinte ich. Als er schließlich fragte, ob er einen dan-Rang hätte und ich ihm antwortete, daß er keinen hätte, wurde er wütend. "Wo glauben Sie sind wir hier? In Urawa haben wir einen Meister-Kendo-Ausbilder, Takano Hanshi!"

 

Kampfkünste florierten in Urawa, und jemand ohne hanshi- oder kyoshi-Prädikat lehrte dort. Darüberhinaus hatte Sokaku Takeda nicht einmal einen kyu-Rang!

 

Herr Shibuya schaute so bedrohlich, daß ich mich dabei ertappte, wie ich zurückwich. Wenn du es bedenkst, war es für ihn ganz natürlich so wütend zu werden. Sokaku lehrte das Schwert in dem Bereich, in dem Lehrer Takano lebte und die Polizei ausbildete. Dann fragte mich Herr Shibuya, welche Art von Dingen wir im Daito-ryu üben und fuhr fort mich zu würgen. Sofort strangulierte ich ihn mit einer Hand. Das beendete die Dinge! Auf seinen Knien entschuldigte er sich. Später änderte er seine Haltung völlig und sagte, er würde am nächsten Tag mit dem Polizeichef sprechen.

 

Sokaku lehrte die Polizei von Urawa als er fast achtzig Jahre alt war. Auch die Budo-Experten waren verdutzt. Sokaku zog sich einen der Polizisten heraus und setzte seine Hand mit seiner rechten Hand fest. Der Mann konnte sich nicht länger bewegen. Sokaku ließ den Mann sich vor den anwesenden Leuten verbeugen und sagte "Okay, nun begrüsse diese Herren!" Sokaku war in der Lage mit einer Hand all diese Judo- und Kendo-Experten dazu zu bekommen sich zu verbeugen. Schließlich sagte er zu den Leuten „Verstehen Sie nun?".

 

Scheinbar war der Mann, den er als erstes auswähIte, ein Judo-Ausbilder der Polizeischule mit dem sechsten Dan. Sokaku pflegte zu sagen "Wenn du raus gehst, um zu lehren, solltest du den stärksten Mann herausziehen. Wenn du deine Techniken bei der stärksten Person anwendest, wird jeder überzeugt sein und mit dir studieren wollen". Aber wie kannst du wissen, wer unter zweihundert Leuten der stärkste ist? Er schaute einfach nur umher und wählte die richtigen Personen aus, einen nach dem anderen. Das ist Aiki!

 

 

Es muß viele Geschichten geben Sokaku's Erfahrungen die Polizei zu lehren betreffend.

 

Ja, bei einem besonderen Polizeiseminar, tat Sokaku etwas sehr verwirrendes. Er verwies auf mehrere Personen unter den vielen teilnehmenden Polizisten und sagte ihnen, daß sie gehen sollen. Dann lehrte er die anderen. Als der Kurs vorbei, fragte der Polizeichef warum er diese besonderen drei oder vier Beamten aufgefordert habe zu gehen bevor das Üben begann. Sokaku sah ihn ruhig an und sagte dann "Das wissen Sie nicht? Einer von ihnen ist ein schwerer Trinker und verursachte Ihnen Probleme, nicht wahr? Wie könnte ich eine Person wie ihn lehren? Einer der anderen ist ein Schürzenjäger, nicht wahr? Das ist, weshalb ich ihn nicht lehrte. Dann den anderen, er gehorchte Ihnen nicht und Sie hatten es schwer mit ihm auszukommen, nicht wahr? Solche Leute kann ich nicht lehren".

 

Sokaku traf all diese Leute zum ersten Mal, sodaß der Polizeichef ziemlich überrascht war. Die Leute folgten Sokaku, weil er solche Dinge tun konnte. Eine der wichtigsten Fähigkeiten eines Richters ist es Menschen beurteilen zu können und Sokaku konnte das. Es ist unmöglich ihn nachzuahmen. Ich begann die Wichtigkeit den Charakter eines Menschen zu beurteilen zu verstehen, als ich Polizist wurde. Wir lesen die Charakter der Menschen durch ihre Gesichter. Natürlich achten wir auch auf ihre Handlungen, aber eine Fähigkeit Gesichter zu lesen ist essentiell. Obwohl ich Bücher zu diesem Thema gelesen habe, ist es nicht leicht zu meistern. Es gibt für mich keine Möglichkeit eine Person beim ersten Treffen anzuweisen, daß sie gehen soll.

 

Da gab es noch einen anderen überraschenden Vorfall, in dem die Polizei involviert war. Einmal, als mein Vater nach Osaka ging, sprach er davon „einige Leute durch Aiki zu ordnen". Ich wußte nicht, was er damit meinte und fragte einen der Leute im Dojo. Er erzählte mir, wie überrascht er war, als Sokaku die Ränge derer, die er zum ersten Mal traf, erkannte und sie entsprechend ihrer Positionen vom höchsten zum niedrigsten sitzen ließ. Der Mann dachte, daß dies etwas sei, was kein gewöhnlicher Mensch tun könne und begann ernsthaft unter Sokaku zu studieren.

 

 

Diese Anekdoten sind faszinierend und geben uns einen wirklichen Einblick in Sokaku's Character.

 

Es gab eine weitere Geschichte, die sich in einem Gasthaus in Sendai zutrug. Eine Frau, die etwa um die vierzig war, wohnte dort, und ich sprach mit ihr mit anderen anwesenden Gästen. Sie behauptete, sie sei die Tochter eines Samurai und sei versiert in naginata (Lang-Schwert) und der Tee-Zeremonie, und solche Dinge. Wir waren beeindruckt und hörten ihr gespannt zu.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Plötzlich lief mein Vater, der im Obergeschoß war, zu uns herunter und machte einen fürchterlichen Krawall. Sokaku, der Schwierigkeiten mit dem Hören hatte, bemerkte uns von der zweiten Etage und kam hergerannt. Dieser Vorfall überraschte sogar mich. Wie konnte er uns hören, wenn er schwerhörig war? Wir sprachen überhaupt nicht laut, und er war im Obergeschoß.

 

Er setzte sich direkt zwischen die Frau und mich, zeigte auf sie und sagte „Diese Frau ist verrückt! Du darfst nicht mit ihr zusammensein. Komm mit mir!“ Er stand auf und ging zurück in die zweite Etage. Wie könnte ich aufstehen und ihm folgen? Wir hatten uns ernsthaft unterhalten. Normalerweise machte Sokaku keinen Laut, wenn er ging, aber dieses Mal drängelte er die Treppen herunter und machte eine Menge Lärm. Ich war wirklich in Schwierigkeiten!

 

Ich entschuldigte mich bei der Frau und erklärte ihr, daß mein Vater fast achtzig sei und öfters seltsame Dinge tue. Die Frau und die anderen Gäste waren jedoch verärgert und hörten nicht auf mich. Ich dachte, daß die Situation ziemlich aus dem Ruder gelaufen sei und entschuldigte mich aufrichtig bei ihr. Dann ging ich hinauf. Im Moment als ich die Tür berührte, hörte ich meinen Vater mit donnernder Stimme schreien „Verstehst du nicht, daß du dich nicht zu dieser verrückten Frau gesellen darfst!" Er war wirklich wütend und sagte "Ich kann die Gedanken von normalen Menschen lesen. Aber die Gedanken von verrückten Menschen geschehen willkürlich, und ich kann ihre Gedanken nicht lesen. Warum verbringst du Zeit mit einer Frau wie dieser?"

 

Ich wußte nicht, was ich tun sollte. Auch wenn ich ihm sagte, daß die Frau nicht verrückt sei, hörte er nicht und nannte mich einen Dummkopf, darauf bestehend, daß sie verrückt war. Dann, etwa zwei Tage später, erzählte mir der Inhaber des Gasthauses, daß der Ehemann der Frau gekommen sei, um sie abzuholen. Ich traf ihn und erzählte ihm, was geschehen war. Er schaute mich ruhig an, dann fragte er wie alt mein Vater sei. Als ich antwortete, daß er achtzig Jahre alt sei, fragte er, ob mein Vater seine Frau wirklich verrückt genannt habe. Ich bestätigte dies und bat ihn um Verzeihung.

 

"Lassen Sie mich Ihnen eine Geschichte erzählen", war seine Antwort, und er begann zu sprechen. Er sagte, daß seine Frau verrückt geworden sei, nachdem sie ein Kind geboren hatte. Bei diesem Ereignis suchte er nach ihr, weil sie verschwunden war. Im Frühling und Herbst ginge sie zu einem Gasthaus oder zum Haus eines Freundes, um dort vorübergehend zu wohnen. Der Ehemann hatte herausgefunden, daß seine Frau von diesem bestimmten Gasthaus einen Telefonanruf gemacht habe und er sei gekommen, um sie zu holen. Die Tatsache, daß sie verrückt war, wurde vor beiden ihrer Eltern und ihrem Kind geheimgehalten. Es war ein Geheimnis, das nur von diesem Mann und seiner Frau geteilt wurde. Deshalb fragte er mich so oft, ob mein Vater gesagt hätte, daß sie verrückt sei. Er wollte wissen, was mein Vater getan hatte. Mein Vater konnte durch die Wahrheit hindurchsehen.

 

Es gibt eine weitere ähnliche Geschichte. Eines Tages blieben wir bei einer Person namens Yoshizo Hasegawa in Osaka. Er lebte in einem doppelstöckigen Haus und arbeitete als Handelsvertreter. Zu dieser Zeit nannten die Leute ihre Beschäftigten bonsan und so stellte der Besitzer uns einen sechzigjährigen Mann vor. Ich sprach mit diesem Burschen über verschiedene Dinge. Dann lief Sokaku plötzlich die Treppen herunter. Normalerweise machte er keinen Lärm, aber wieder einmal machte er ein ziemliches Getöse. Er schaute den Mann an.

 

Dann sagte er „Dieser Mann ist ein buddhistischer Priester. Warum ist er hier?" Obwohl der Besitzer erklärte, daß der Mann lediglich ein Beschäftigter sei, den er kürzlich angestellt habe, begutachtete Sokaku den Mann ruhig und sagte „Oh, ja. Ich kann an Ihrem Gesicht sehen, daß Sie wegen einer Frau in Schwierigkeiten gekommen sind. Sie müssen wegen einer Frau den Kopf verloren haben. Ansonsten könnten Sie ihre Stellung als hochrangiger Buddhisten-Priester behalten haben. Sie waren ein Priester von einer guten Familie".

 

Der bonsan sagte kein Wort. Sokaku ging, nachdem er seinen Teil gesagt hatte, die Treppen wieder zurück .Dieses Mal wies er mich nicht an ihm zu folgen. Der bonsan fragte mich, ob mein Vater ein Wahrsager sei. "Nein, er praktiziert Kampfkünste. Er ist sehr alt. Bitte verzeihen Sie ihm“, antwortete ich.

 

"In meinem ganzen Leben bin ich nicht so überrascht gewesen!" rief der Mann aus. "Ich war vorgesehen das Oberhaupt eines Tempels zu werden, auch wenn ich seinen Namen nicht nennen kann, weil es zu beschämend ist. Ich endete jedoch so wegen einer Frau. Wie wußte er das?"

 

Etwa zwei Tage später gab der Mann seine Arbeit auf und verließ das Haus, er sagte, daß er Angst hätte. Sokaku hätte seine Beobachtung für sich behalten sollen, aber er sprach frei heraus. Ich hörte später, daß der Mann ein Priester von hohem Rang war. Ich könnte niemals nachmachen, was Sokaku tat. Er war so gesehen wirklich großartig. Er verstand eine Person in dem Moment, als er sie sah. Er konnte die Vergangenheit, die Gegenwart und sogar die Zukunft sehen.

 

 

Es scheint, daß Sokaku erstaunliche Wahrnehmungskräfte hatte.

 

Ja. Ich erzähle Ihnen eine weitere Geschichte. Da Sokaku Takeda ein Mann des Budo war, war er sehr argwöhnisch. Er aß niemals etwas, was Schüler ihm anboten, es sei denn, es waren seine eigenen. Er würde etwas essen, wenn du es in seiner Gegenwart zuerst aßt und es dann ihm anbotest, aber ansonsten war er sehr vorsichtig. Ich nehme an, daß diese Art von Verhalten von einem Menschen, wie er es war, erwartet wurde. Er war zu allen Zeiten völlig auf der Hut.

 

Seine Vorsicht verursachte mir einmal ziemlich grosse Schwierigkeiten. Wie Sie wissen, gab es einen berühmten Schwert-Lehrer namens Sasaburo Takano. Mein Vater und ich und Shuzo Shibuya besuchten einmal diesen Lehrer. Herr Shibuya's Nichte war verheiratet mit Shigeyoshi Takano, einem Adoptiv-Sohn von Lehrer Takano, sodaß Shibuya mit uns kam. Lehrer Takano war eine ziemlich seltsame Person. Er hatte Speere und naginata (Lang-Schwerter) auf den Balken im Eingang seines Hauses ausgestellt. Im Hinterzimmer war ein dickes Tigerfell. Lehrer Takano war ein sehr sanfter Mensch und sprach ruhig, während Sokaku Takeda immer mit lauter Stimme sprach, so als würde er streiten. Wo immer er hinging, sprach er laut. Er pflegte zu mir zu sagen, daß er laut spreche, damit die Leute ihn verstehen würden. Da er ein Samurai war, hatte er die Angewohnheit mit der höchsten Lautstärke seiner Stimme zu sprechen, beibehalten - wie ein traditioneller Krieger - wenn er sich selbst vorstellt!

 

Jedenfalls sprachen wir mit Lehrer Takano und uns wurden Süssigkeiten serviert. Ich aß meine, nicht aber mein Vater. So wickelte Lehrer Takano sie ein und schaute hoch, um sie Sokaku, der vor ihm saß, zu übergeben - aber dort war niemand. In der Zeit, in der Lehrer Takano die verbleibenden zwei Süssigkeiten eingewickelt hatte, war Sokaku verschwunden. Ich war mit ihm dort und kann sagen, er verschwand wie durch Magie.

 

Da ich Kenjutsu mochte, hatte ich jede Bewegung von Lehrer Takano, der ein Schwertmeister war, beobachtet. Es war während dieser Zeit, daß Sokaku verschwand. Mein Vater saß neben mir, gegenüber von Lehrer Takano. Als Lehrer Takano mich fragte, wo Sokaku hingegangen sei, antwortete ich, daß ich dachte, er sei zur Hinterseite des Hauses gegangen, um seine Frau zu begrüßen. So ging Lehrer Takano zum Hinterzimmer, um ihn zu finden, kam aber für eine Weile nicht zurück. Als er zurückkam, hatte er einen seltsamen Ausdruck in seinem Gesicht und sagte „Dort konnte ich ihn auch nicht finden. Wo um alles in der Welt ist Lehrer Takeda hingegangen?" Da wir nicht ewig nach ihm suchen konnten, entschied ich mich nachhause zu gehen. Auf dem Weg aus dem Zimmer heraus, gab mir Lehrer Takano ein Zeichen voranzugehen, da ich der Sohn seines Höhergestellten, Sokaku, war. Wir verließen das Zimmer und waren am Eingang, als wir Sokaku draußen sahen. Lehrer Takano sagte "Dort ist er! Und an solch einem Platz!"

 

Dann öffnete Sokaku die Vordertür von außen und kam rein. In dem einen Moment war er mit uns in dem Zimmer, aber jetzt stand er plötzlich im Eingang. Wir zollten Lehrer Takano unseren Respekt und gingen heim. Als wir dort waren, schimpfte mein Vater streng mit mir. Er sagte "Wer denkst du ist Takano?" Ich wußte, er war Lehrer eIner höheren Normalschule. Die Qualifikationen für einen Lehrer einer Normalschule war in diesen Tagen dieselben wie heutzutage den Direktor einer Mittelschule. Er war auch ein exzellenter Schwertkämpfer. Sokaku schimpfte mit mir, weil ich vor Lehrer Takano gegangen war. Er sagte zu mir "Was würdest du tun, wenn Takano dich von hinten ergriffen hätte?"

 

Ich konnte nicht glauben, daß so etwas möglich sein würde. Lehrer Takano war ein Schullehrer, wie auch ein Kenjutsu-Meister, und ich war ein junger Mann von etwa zwanzig. Als ich jedoch sagte, daß es bei Lehrer Takano unmöglich sei, daß er so etwas tue, schimpfte mein Vater wieder mit mir. "Menschen wurden getötet, nachdem sie sagten, daß solche Dinge unmöglich seien! Schande über dich, dafür daß du Takano erlaubt hast, dir zu folgen! Für einen Mann des Budo ist es selbstverständlich anderen zu folgen. Vor jemandem zu gehen ist dasselbe wie getötet zu werden. Verstehst du das nicht? Dann geh zurück nach Hokkaido!"

 

Es scheint, daß solche Situationen, wie er sie beschrieb, in den alten Tagen tatsächlich geschahen. Jemand würde zum Beispiel in eine Ecke kommen und plötzlich von Männern, die Speere mit sich führen, angegriffen. Aber ich lebte in der Showa-Periode [1926-1989]. Ich dachte nie an diese Möglichkeiten. Ein Mann des Budo zu sein ist ziemlich schwierig. Einer von meines Vaters Cousins erzählte mir einmal, daß es in der Familie eine geheime Technik gab. "Die Familie hat eine kabenuke (Wände-überwindende) Technik. Vergiß das nicht“, sagte er.

 

Wenn ich auch nicht glaubte, daß diese Art von Technik tatsächlich existierte, aber als Sokaku plötzlich einfach so verschwand, änderte ich meine Meinung. Mein Vater erzählte mir nie, wo er hingegangen war. Lehrer Takano war am meisten überrascht. Mein Vater verschwand von dem Zimmer, in dem Lehrer Takano normalerweise las. Wir erfuhren nie, wie er nach draußen kam. Er öffnete keine Zimmertür. Es war eine Tür im westlichen Stil, die von Anfang an verschlossen war. Wir wissen nicht, wie er das Zimmer verließ.

 

 

Wir haben sehr viel über Lehrer Sokaku gelernt, dank den Artikeln, die Sie in Ihrem Mitteilungsblatt veröffentlicht haben.

 

Es ist wichtig zu verstehen wie und warum Sokaku Takeda zu dem wurde, was er war. Ein kleiner Mann - weniger als fünf Fuß groß (Anm. d. Ü., kleiner als 1,52 m) - wäre niemals in der Lage gewesen die Polizei zu lehren, nur weil er ein Schwert benutzen konnte. Er hatte Unterstützer. Das ist, was ich derzeit recherchiere.

 

Diese Unterstützer beinhalteten Marine- und Armeeoffiziere, deren Namen alle in den Einschreibungs-Büchern aufgezeichnet sind. Es gab auch Leute, die ihn sogar davor unterstützten, darunter ein Admiral, dessen Biographie kürzlich veröffentlicht wurde. Wenn Sie in dieses Buch schauen, werden Sie die Namen derselben Offiziere finden, die in den Einschreibungs-Büchern sind und können herausfinden welche Art von Leuten Sokaku unterstützten.

 

Zur Zeit des Russisch-Japanischen Krieges im Jahre 1904 oder 1905 reisten die Männer der Zweiten-Armee-Division von Sendai, wo Sokaku lehrte, ab und so ging er auf die Bitte eines der Gerichte in der Hokkaido-Region nach Hokkaido. Das stellte sich auch für ihn als ein ziemliches Erlebnis heraus.

 

Dies war nicht zum ersten Mal, daß Sokaku in Hokkaido gewesen war. Er war dort mit Tsugumichi Saigo [1843-1902] gereist, der als der „Vater der Zweiten-Armee-Division“ bekannt war. Saigo stellte Sokaku den Generälen als ein Schüler von Tanomo Saigo, dem Aizu-Beirat, vor und unterstützte ihn sehr viel.

 

Als Tsugumichi Kopf des Hokkaido-Entwicklungs-Projekts wurde und nach Hokkaido ging, ließ er sich von Sokaku als sein Leibwächter begleiten. Tsugumichi war ein jüngerer Bruder von Takamori Saigo. Tanomo Saigo, der Aizu-Beirat, der später als Chikanori Hoshina bekannt wurde, und Takamori Saigo waren auch miteinander verwandt und korrespondierten miteinander. Nach dem Aizu-Krieg, als Tanomo in finanziellen Schwierigkeiten war, erhielt er von Takamori sogar Geld. Es hieß, es seien Hunderttausende Yen gewesen, in der Währung von heute eine extrem grosse Summe. Durch seine Verbindung mit Tsugumichi war Sokaku zuerst nach Sendai gegangen, um die Zweite-Armee-Division die Kunst zu lehren. Das war nicht etwas, was eine gewöhnliche Person ohne Empfehlung hätte tun können.

 

So gab es einige bedeutende Leute, die Sokaku unterstützten. All diese Marine- und Armeeoffiziere, die unter Sokaku lernten, unterschrieben mit Namen und Siegel in seinen Einschreibung-Büchern. Gombei Yamamoto - zweimaliger Premierminister von Japan - war einer dieser Amtsträger. Er war von Kagoshima, was auch Isamu Takeshita's Heimatspräfektur war. Das war der Grund, warum Takeshita Morihei Ueshiba Gombei Yamamoto vorstellte.

 

 

Könnten Sie uns bitte etwas mehr über das Verhältnis zwischen Sokaku und Admiral Isamu Takeshita sagen?

 

Ich kann nicht wirklich sehr viel darüber sagen, da ich Admiral Takeshita tatsächlich niemals traf. Aber ich habe einen Artikel, den er schrieb, gelesen, mit dem Titel „Die Heldentaten von Sokaku Takeda." Darin zeichnete er einige von Sokaku's verschiedenen Begegnungen mit Spielern auf. Ich denke, der Artikel basierte auf Dingen, über die Sokaku selbst sprach, aber er war nicht sehr lang. Herr Ueshiba sprach darüber, daß Isamu Takeshita solch einen Artikel geschrieben hatte, aber ich erkannte den Schreiber nicht als ein Admiral, da nur sein Name, Isamu Takeshita, erwähnt wurde.

 

 

Wann wurde Admiral Takeshita ein Schüler von Sokaku?

 

Er war mehr ein Unterstützer als ein Schüler. Obgleich lehrte Sokaku ihn Techniken in der Mitte der 1920er Jahre.

 

 

Erscheint sein Name in Lehrer Sokaku's Einschreibungs-Büchern?

 

Ja, tut er. "Admiral Isamu Takeshita" steht dort geschrieben. Jeder schrieb seinen Namen in die Einschreibungs-Bücher. Regierungsminister waren in diesen Tagen von solch hohem Ansehen, daß man sie nicht damit belästigt hätte ihre Siegel in die Einschreibungs-Bücher zu setzen. Dennoch schrieben sie etwas in die Bücher, was ein kakihan oder geschriebenes Siegel genannt wird, was ziemlich erstaunlich war. Ich glaube, es war im Marinehauptquartier in Tokio, in dem Sokaku diese hochrangigen Offiziere lehrte. Auch Vize-Admiral Seikyo Asano war anwesend.

 

 

 

Übrigens führten Isamu Takeshita und zwei weitere ihre Kunst auf der ersten Klassischen Kampfkunst Demonstration [abgehalten im Jahr 1935] als Daito-ryu Aikijujutsu vor, nicht als Aikido. 38 verschiedene Kampfkunstschulen nahmen an dieser Demonstration teil. Im Frühjahr von 1940 wurde die Kobukai Stiftung gegründet und Admiral Takeshita wurde als ihr Erster Vorsitzender ins Amt eingeführt. Auch wenn die Aikido-Leute ihre Kunst nun Aikido nennen, berief sie sich in diesen Tagen auf das Daito-ryu Aikijujutsu. Admiral Takeshita wurde 1939 auch der Dritte Direktor der Japanischen Sumo Vereinigung.

 

 

Sie erwähnten, daß Sokaku Takeda ein Freund von Jigoro Kano war, dem Begründer des Judo. Könnten Sie uns mehr über ihre Verbindung sagen?

 

Ja, sie trafen sich oft. Herr Kano und Sokaku waren enge Freunde, da sie beide Kampfkünstler gleichen Alters waren. Sie trafen sich oft in Tokio. Herr Kano schuf Judo basierend auf den Kito-ryu und Tenshin Shinyo-ryu jujutsu Schulen. Sokaku hatte auch klassische Kampfkünste ausgeübt. Kano erschuf sein System als eine Methode der Leibeserziehung. Der Unterschied zwischen Daito-ryu Aikijutsu und Judo ist, daß wir im Daito-ryu keine Einer-gegen-Einen-Kämpfe haben.

 

Da war auch ein Mann namens Shohachiro Noguchi, der der Vorsitzende einer Gruppe war, die sich das Imperial Shobukai nannte, und die Freundschaft zwischen diesen Dreien war berühmt. Noguchi lernte auch unter Sokaku. Der Grund, warum Kano Kenji Tomiki und Minoru Mochizuki zu Ueshiba schickte, war ebenfalls, weil Ueshiba Sokaku's Schüler war.

 

Ein Mann namens Shiro Saigo war auch einer von Kano's Schülern. Sokaku traf Kano wegen seiner Bekanntschaft mit Saigo. Shiro Saigo war der Adoptivsohn von Tanomo Saigo. Shiro Saigo spielte auch eine führende Rolle das Kodokan bekannt zu machen. Er war der leibliche Sohn von Tanomo Saigo, außerehelich geboren. Obwohl Shiro Tanomo's echter Sohn war, adoptierte er ihn später deswegen, um es offiziell zu machen.

 

 

Soweit ich weiß war auch Armee-General Makoto Miura mit Lehrer Sokaku verbunden?

 

Ja, sein Name erscheint in Sokaku's Aufzeichnungen beginnend in den späten 1890er. Er war ein erfahrener Schwertkämpfer und lernte unter einem Mann namens Hidetaro Shimoe. Shimoe lehrte Jukendo bei der Zweiten Armee Division von Sendai als mein Vater dort lehrte. Shimoe war die erste Person, die den Hanshi-Grad erhielt, den Top-Rang unter Schwertmeistern. Er war auch ein Schwertmeister. Deshalb kannte Sokaku Takeda ihn gut.

 

Es gibt über Shimoe und Sokaku eine berühmte Geschichte. Shimoe war blind. Als Sokaku einen Wettkampf mit ihm hatte, bat Shimoe Sokaku darum großzügig zu sein und ihm zu erlauben Sokaku's Schwert als Erster zu berühren. In dem Moment, als er Sokaku's Schwert berührte, bewegte sich Shimoe um zuzustossen. Da Shimoe ein Speermeister war, stieß er sofort zu. Er schlug nicht, er stieß einfach nur zu, sogar wenn er ein Schwert benutze, auf dieselbe Art, wie er mit dem Speer würde, mit einer Hand. Da Sokaku wußte, was Shimoe tun würde, ließ er ihn sein Schwert berühren und hob das Schwert nach oben. Auf diese Weise konnte er den Stoß vermeiden.

Diese Aufzeichnung in dem Einschreibungsbuch [zeigt auf den Eintrag] ist der Beweis, daß Makoto Miura in Sendai lernte. Ohne diese Bücher würden wir das jetzt nicht wissen. Sokaku ließ in diesem Sinne in nichts eine Lücke. Er arrangierte die Dinge so, daß eine falsche Behauptung niemals möglich sein würde. Die Macht der Armeeoffiziere war in den alten Tagen enorm, aber er ließ sie alle ihre Einträge besiegeln. In diesem Sinne bot er keine Lücken, auch wenn er tot ist!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

ins Deutsche übersetzt von Ralf Scherer