Dojo on tour: Nachtrag zum Lehrgang mit Christian Tissier Shihan in Berlin

Ein kleiner Bericht vom Shihanlehrgang mit Christian Tissier, 8.Dan Aikikai, vom 20. bis 24. Oktober 2018, Berlin:

 

Die Schlange an der großen Sporthalle der FU Berlin reichte bis auf den Parkplatz. Viele internationale Kennzeichen.

In der Umkleide fast kein Haken mehr frei. Drinnen dann erstmal Bokkenhiebe mit Kiai aus hunderten Kehlen.

Ein kraftvoller Auftakt, auch wenn mich synchronisierte Menschenmassen immer etwas schaudern lassen.

In der Anfangseuforie und dem dichten Getümmel gab es leider bald einige ernsthaft verletzte, danach trainierten wir deutlich

besonnener. Im Kreise der uchi-deshi allerdings wurde das Tempo hochgehalten.

Hohe Intensität und Präzision waren hier spürbar, vielleicht auch eine Spur Verbissenheit, jedenfalls raunte mir ein

weißgegurteter Weggefährte augenzwinkernd zu "vorsicht, da vorne links sind die Fanatiker!".

 

Das Niveau war hoch, vieles war mir neu. Tissier Shihan hat mich tief beeindrukt, was er zeigte war sehr transparent, vielschichtig und gut begründet. Am deutlichsten eingeprägt hat sich mir seine aufrechte, offene Haltung, die schnelles Drehen und Ausweichen erlaubt wo eine vorgebeugte, geschlossene Haltung blockiert und das Profil vergrößert. Die Präzision, die kleinen Drehungen von Füßen und Händen (schienen oft ein Schwert zu halten) haben mich fasziniert, waren aber meist schnell und schwer zu lesen.

 

Schwierig wurde es wie immer bei der Adaption. Ein neues Detail, anderer Fokus, bringt gerne meine ganze Form ins wanken.

Daran mit fremden PartnerInnen* zu arbeiten war oft nicht leicht, manche ignorierten das gezeigte und zogen einfach schwungvoll

ihr gewohntes Ding durch, oder begannen gar anderes zu lehren.

 

Wo die einen martialisch argumentierten, fühlten sich andere schon durch eine lockere Faust gestört (mach ich eigentlich nur um

meine Finger zu schützen). Hier liegen vielleicht zwei grundsätzliche, interessante Schwierigkeiten:

die Weitergabe von Wissen durch (relativ) unwissende, lehrende Lernende.

Unterschiedliche, wiedersprüchliche Begründungen für die Formen (hier kannst du nicht stehen weil ich dich sonst treffe,

da sollst du stehen weil wir das so vereinbart haben).  Tissier Shihan versuchte wiederholt das zu erhellen zB.:

"Kata. Training. Applikation. These are different worlds. WORLDS! "

 

Oft betonte er, Tori und Uke agieren jeweils aus ihrer eigenen Budo Logik, verschlechtern nicht freiwillig ihre Position,

sollen aber die Ausführung der Technik nicht behindern ... "We accept that." "Aikido is confidence."

Mit zwei blutigen Samuraianekdoten veranschaulichte Shihan die Notwendigkeit die eigenen Möglichkeiten zu verbergen, die des

Gegenübers zu erkennen.

 

Es waren für mich 5 erfüllte, mental und physisch ziemlich fordernde Tage mit tollen Begegnungen.

Einige Yudansha hatten besonders herrausragende Fähigkeiten, als Uke konnten sie selbst bei ruckelnder Geschwindigkeit und

holpriger Technik stets einen angenehm führenden Kontakt halten und mir so den Weg weisen.

 

Tissier Shihan war auf eine ruhige, geduldige, menschenfreundliche Art unglaublich präsent, nahm sich oft auch Zeit für Individuelle Probleme jeder Stufe. Manchmal schien ein leiser Zweifel über sein Gesicht zu huschen ob das sooft wiederholte bei uns auf fruchtbaren Boden fällt? "Ok? Yes? Is it clear? Ok, you may forget about it." "Feel free!"

LG Niko

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Kommentare: 2
  • #1

    Hilltrud (Mittwoch, 31 Oktober 2018 00:00)

    Toller Bericht, Danke für`s Teilen.
    Liebe Grüße
    Hiltrud

  • #2

    Thomas (Mittwoch, 31 Oktober 2018 07:21)

    Vielen Dank für die Schilderung deiner Lehrgangserlebnisse, Niko. Nach dem Lesen bedaure ich einmal mehr, dass es sich bei mir nicht ausging. Aber es gibt sicher ein nächstes Mal.